Jeden Mittag um 12 Uhr 15 spielen sich in unserer Kita die gleichen Szenen ab. Während andere Kids mit ihren Müttern meist relativ problemlos mitzugehen scheinen, stehe ich völlig hilflos da und kriege meinen Zweieinhalbjährigen kaum wieder nach Hause.
Das ist aber auch ne blöde Situation. Da unterhält der Mini Chef gerade drei hübsche Blondinen im Sandkasten und die Mama will ihn da einfach wegholen.
Wie auch immer – die kleinen Mädels sind auf seiner Seite und haben schon versucht, mit mir zu verhandeln. „Liebe Leon Mama,“ fing eine zuckersüße Maus kürzlich an. „Darf ich Ihnen einen Tipp geben? Wenn Sie den Leon mit uns hier mittags immer zum Essen da lassen, dann ist es für ihn einfacher, danach auch wieder nach Hause zu fahren.“
Weise Worte aus dem Mund einer Dreijährigen, die mich vor Verwunderung erstmal kurz verstummen lassen. Sandkasten Freundin Nummer Zwei stimmt nickend zu und erklärt „Leon Mama“, dass der Leon im Kindergarten einfach viel Spaß hat.
Und die Mädels haben sogar Recht. An Tagen, wo ich den Mini Chef tatsächlich mal bis 15 Uhr 45 da lasse, geht das Abholen leichter. Dann ist der Mini Chef bereit. Na ja, meistens zumindest.
Aber heute ist der kleine Mann mittags nicht zum Essen angemeldet und „Leon Mama“ ruft Söhnchens Namen so oft, dass „Leon Mama“ froh ist, dass der Name nicht ellenlang ist. Irgendwann versuche ich, ihn einfach hoch zu ziehen.
Dann lässt er seinen Körper leicht nach hinten fallen und macht sich so schwer, dass mir seine 16 Kilo vorkommen wie 30 und ich ihn kaum auf den Arm nehmen kann – erst recht nicht mit meinem Kugelbauch im letzten Schwangerschaftsdrittel.
Französinnen haben`s da leichter. Die haben in ihrer Stimme eine Autorität, so dass die Kids einfach parieren. Weiß ich aus dem Buch „Warum französische Kinder keine Nervensägen sind“. Das scheint Eltern da ein bisschen in die Wiege gelegt zu sein. Oder?
Im zweiten Teil meiner Rezension habe ich euch am 5. November 2014 hier bereits davon berichtet, wie Franzosen das hinkriegen, dass ihr Liebesleben wenige Wochen nach der Entbindung wieder läuft. Am 7. Oktober 2014 habe ich euch auf meinem Blog im ersten Teil meiner mehrteiligen Rezension erzählt, inwiefern die Kleinsten im Nachbarland bereits als Feinschmecker herangezogen werden.
Autorin Pamela Druckerman beginnt in ihrem Buch „Warum französische Kinder keine Nervensägen sind“ von ihrem ersten Urlaub mit Kindern zu erzählen.
Während die Reise Stress pur ist, entschließt sie sich spontan dazu, keinen Nachwuchs mehr zu bekommen und nie mehr mit Kindern in Restaurants zu gehen oder gar jemals wieder mit den Kleinen zu verreisen.
Dann stellt sie fest, dass französische Kinder mit ihren Eltern entspannt am Tisch sitzen und dass die Kleinen auch verdammt gute Manieren haben – alles scheint dort total easy und mit einer ganz klaren Selbstverständlichkeit von statten zu gehen.
Bereits den Babys wird in Frankreich liebevoll das Warten beigebracht. Natürlich nehmen die Mütter schreiende Kinder auf den Arm und trösten sie.
Doch sie wissen auch, dass ungefähr 60 Prozent des Schlafes von Babys kein fester Schlummer, sondern eher unruhige Phasen sind, die immer wieder von kurzen Wachphasen unterbrochen werden. Dann warten sie kurz ab – schläft das Baby nach ein paar Sekunden wieder ein oder hat es tatsächlich Hunger?
Beim Lesen erinnere ich mich, dass ich Leon die ersten Nächte nach der Entbindung bei jedem kleinen Mucks sofort gestillt habe. Beim nächsten Kind werde ich versuchen, die Tipps aus Frankreich zumindest ansatzweise anzuwenden – natürlich völlig behutsam.
Außerdem lernen die Kleinen von Anfang an, die Erwachsenen am Tisch erstmal ausreden zu lassen.
Eltern in Frankreich sind konsequent – ein Nein bleibt ein Nein – was mir persönlich schwer fällt, wenn mein Wonneproppen seinen ganzen Charme einsetzt – mein Schatz und ich sind dem Mini Chef immerhin total verfallen.
In Verbindung mit dem spannenden Buch über Erziehungsgeheimnisse aus Frankreich gab es auch Kritiken im Internet, dass Franzosen ihre Kinder gelegentlich ohrfeigen. Die Autorin selbst kann das im eigenen Bekanntenkreis nicht bestätigen – sie hat eine strengere Erziehung beobachtet, aber trotzdem eine Erziehung voller Liebe.
Da ich selbst als Kind väterlicherseits viel Gewalt einstecken musste und eine eigene Meinung auch als erwachsene Frau noch täglich oder wöchentlich mit brutalen Ohrfeigen „erledigt“ wurde, möchte ich darauf hinweisen, dass ich solch eine Erziehung natürlich zutiefst verurteile.
Und dass ich mein eigenes Kind vielleicht auch aufgrund dieser Erfahrungen eher mal ein bisschen zu viel verwöhne – um bloß nicht zu streng zu sein – und ganz bewusst zum Freidenker erziehe.
Das Buch über die Erziehung im Nachbarland ist trotzdem amüsant geschrieben und mag uns ein paar Inspirationen geben.
Denn zwischen übertrieben streng sein und außergewöhnlich stark verwöhnen gibt es ja noch das gesunde Mittelmaß.
Wie seht ihr das?
Bis zum nächsten Mal und liebe Grüße von Elischeba
Locations: der große Spielplatz wurde im Wildpark Daun aufgenommen. Das Restaurantbild ist im Romantik Hotel Kieler Kaufmann entstanden. Das letzte Foto im Oldtimer Museum in Stadtlohn.
Offenlegung: Als Journalistin habe ich vom Verlag ein kostenloses Rezensionsexemplar erhalten. Die Gedanken zum Buch sind meine eigenen.
Sina
18. November 2014 at 10:18 (10 Jahren ago)Tolle Tipps aus Frankreich, ich glaub das Buch hole ich mir auch mal 🙂
P.S. die einleitende Situation kenn ich aber auch … schöne Fotos!
Elena
5. April 2018 at 21:07 (7 Jahren ago)Spannender Blog – super toll zu lesen, Danke dafür.