Montag, 01. Februar 2016, 9 Uhr

Im Eingang gibt es einen großen Zettel an der Tür: „Emily ist neu bei uns. Wir heißen sie herzlich Willkommen.“ Daneben hängt ein zuckersüßes Bild von ihr.

Und ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich mich gut fühle. Hört sich bescheuert an? Ist aber trotzdem so.

Emily und ich erleben heute unsere erste gemeinsame Stunde im Wunschkindergarten. Die süße Maus krabbelt begeistert zu anderen kleinen Minis, packt bunte Legosteine aus riesigen Spielzeugkisten und läuft wieder zu mir zurück. Zieht sich an mir hoch und strahlt mich an. Ich sehe große blaue Augen und sechs erste Zähnchen vor mir. Goldig. Ja, ich fühle mich gut. Ist doch alles bestens.

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Fotografin: Elischeba Wilde

Dienstag, 02. Februar 2016, 9 Uhr

Krass. Gestern um die Zeit ist Emily im Kindergarten immer wieder zu mir gekrabbelt. Sie hat sich lediglich bis zur Mitte des Raumes alleine vorgewagt. Fühlt sie sich schon wie zu Hause? Die Maus wirkt so sicher. Merkwürdiges Gefühl für Mama. Dabei läuft doch alles ideal. Trotzdem geht das gerade etwas schnell. Nicht für Emily. Für mich. Aber Liebe heißt auch loslassen können.

Mittwoch, 03. Februar 2016, 9 Uhr 30

Telefonat mit der Erzieherin. Heute wollten wir ja um 10 Uhr vorbeikommen. Emily ist jedoch gerade eingeschlafen. Ob ich die Mini Chefin während meines Arzttermins um 11 Uhr für eine Stunde alleine da lassen könnte.

„Das ist deine Entscheidung, Elischeba. Aber ich habe Sorge, dass dann alles, was wir bis jetzt aufgebaut haben, kaputt gehen könnte.“

Leuchtet mir ein. Ich nehme die Maus mit zum Arzt. Heute gehen wir nicht in die KiTa.

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Fotograf: André Plath

Donnerstag, 04. Februar 2016, 9 Uhr

Emily und die Gruppenleiterin spielen mit braunen Tierfiguren, die sie zusammen aus einer transparentfarbigen Kinderbox auspacken. Die kleine Maus strahlt die junge Frau an. Immer wieder. Aus tiefstem Herzen. Sie verstehen sich prächtig.

Für ein paar Sekunden kommen mir verrückte Gedanken in den Sinn. Was wäre, wenn ich von heute auf morgen nicht mehr da wäre? Und wenn diese sympathische Blondine Emily mit nach Hause nimmt. Ob die Kleine mich vermissen würde? Sind das die harten Schattenseiten der Businessmamas? Ich kämpfe mit den Tränen.

Gerade zu Ende gedacht, da dreht Emily sich plötzlich um. Entschlossen bewegt sich die Prinzessin in meine Richtung. Wie schön ist das denn?

Kaum ist sie angekommen, da schnappe ich sie mir auch schon und knutsche sie heftig durch. „Wie schön, dass du zwischendurch doch auch mal zu Mama kommst,“ rufe ich begeistert. Die Erzieherinnen grinsen und stellen fest, wer gerade das größere Problem mit der Eingewöhnung hat.

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Fotograf: Pierre Wilde

9 Uhr 45

Ich erzähle der jungen Gruppenleiterin, dass ich noch gern zum Wochenmarkt möchte, der sich gleich um die Ecke befindet. Vor der Tür erwartet uns Platzregen. Nasskaltes Grau. Ich könnte Emily in den Kinderwagen packen und sie angeschnallt durch das Mistwetter zerren. Aber mehr Spaß hätte sie hier.

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Fotografin: Elischeba Wilde

Stimmt. Machen wir das doch einfach so, dass ich mein Handy dabei habe und auf Abruf bereit bin. Aber es klingelt nicht. Die Kleine fühlt sich wohl.

Es gibt Situationen, in denen es für Emily in der KiTa einfach schöner ist. Wenn ich als Journalistin konzentriert am Computer arbeite, im Keller die Waschmaschine anschmeiße oder – wie jetzt – durch den Platzregen ziehe, um Lebensmittel einzukaufen.

Morgen haben wir schon Freitag, den 5. Februar 2016.

Die erste Woche in der KiTa ist dann rum. Morgen sollen wir wieder zusammen um circa 9 Uhr vorbeikommen. Und ich für eine gute halbe Stunde verschwinden. Anschließend werden wir zusammen besprechen, wie wir die nächste Woche angehen.

Emily wird die nächsten Monate von 9 bis 12 Uhr in die KiTa gehen. Da ich freiberuflich tätig bin, kann ich sie jederzeit eher holen oder später bringen. Oder anfangs auch nur alle zwei Tage vorbeibringen. Wir gehen es auf einen Weg an, bei dem wir uns alle wohl fühlen. Wichtiger ist es für eine Mutter, die freie Zeit mit dem Kind intensiv zu genießen. Qualität statt Quantität.

Elischeba und Emily Wilde
Fotograf: Christian Grimmelt

Ein schlechtes Gewissen habe ich heute nicht. Nur ein merkwürdiges Gefühl. Weil ich mich daran erinnere, dass die kleine Maus vor einem Jahr um diese Zeit noch in meinem Bauch war. Und sich am 5. Februar 2015 langsam darauf vorbereitet hat, die Welt zu entdecken. Und wie schön, dass sie ihre Welt liebt. Und die Welt sie. Aber wieso geht das alles so schnell?

Bis bald wieder und alles Liebe von Elischeba

Hinweis: Es ist in den Kindergärten unserer Stadt leider nicht gewünscht, Fotos zu machen. Deswegen seht ihr hier allgemeine Bilder. Schade eigentlich … unsere KiTa ist sooooo schön 😉
 
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